von Guido Walter (Text, Fotos), kunstStory 19.4.2023
Beim "Artist Talk" hat Monica Bonvicini Spaß. Natürlich kam die Frage nach den Handschellen, die entlang dreier Fensterfronten an Metallketten von der Decke der Berliner Neuen Nationalgalerie
baumeln.
Ketten, Handschellen und Ledergürtel sind Requisiten ihrer Show "I do You", die noch bis zum 30. April zu sehen ist.
Besucher dürfen sich anschließen lassen, um mit dem Gebäude interagieren zu können.
"Ich hatte ursprünglich gesagt, dass es eine Stunde sein soll", erzählt die gebürtige Venezianerin. "Aber dann hieß es, das machen die Leute nicht mit. Höchstens fünf Minuten." Das gefiel
Bonvicini wiederum nicht. "Dann machen die ein Foto für Instagram und sind wieder weg."
Der Kompromiss waren letztlich 30 Minuten. Bei ihren Arbeiten selbst ist sie ansonsten kompromisslos.
Das beginnt schon bei der Spiegelfläche mit der Aufschrift „I do you“, die selbst das Dach des ikonischen Gebäudes von Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) überragt. Wer drin ist, läuft auf eine
weitere, 36 Meter breite Spiegelfläche zu. Der Raumeindruck ist ein neuer. Und das wiederum gilt als gewollt feministischer Eingriff in die männliche Museumsarchitektur van der Rohes.
Monica Bonvicini (* 1965) ist Künstlerin und Professorin für Bildhauerei und lebt heute in Berlin. In ihren Arbeiten analysiert sie das Zusammenspiel von Machtverhältnissen, Geschlechterrollen
und Architektur. Ihre Werke verwenden oft Sprache und Text, Humor und Ironie, stellen die Rolle des Betrachters in Frage – wer sich gespiegelt sieht, spiegelt seine eigene Position.
Mitten im Raum ragt ein begehbares Podest auf. Oben laden im Licht von Neonröhren zwei Ketten-Schaukeln zum Ausruhen und Nachdenken ein, während der Blick auf die scheinbar weggeworfenen
Klamotten trifft, die auf dem Teppich abgebildet sind.
Monica Bonvicini ist auch entspannt, kommt mit der Moderne inzwischen ganz gut aus. Sogar mit Mies van der Rohe. "Architektur ist kein Cocktail", zitiert sie ihn auf einer, was sonst,
Spiegelwand.
"I do You"
Neue Nationalgalerie, Potsdamer Str. 50, Berlin:
bis zum 30. April 2023
Mo–So 10–18 Uhr
Do 10–20 Uhr