Charlie Stein ironisiert in ihren Bildern eine veraltete Form von Weiblichkeit, die sich in den Sehgewohnheiten der sozialen Medien wieder zu verfestigen scheint.
Dass die Modelle auf ihren Bildern Roboter sind, erscheint da logisch.
Guido Walter (Text) und Helge Stroemer (Video, Fotos), kunstStory, 25.9.2021
Unimate
Interview mit der Künstlerin in der SMAC Galerie, Berlin
(Ausstellung vom 17. SEP. – 02. OKT. 2021)
Übergroße Augen, kindliche Züge, popbunte Farben – die Modelle auf den Bildern von Charlie Stein sind von der Ästhetik visueller Medien wie Instagram beeinflusst. Sie posieren gekonnt, machen auf
niedlich, wollen schön sein. Aber sind sie auch echt? Steins aktuelle Einzelausstellung „Unimate“ in der Berliner Galerie SMAC führt den Besucher mit ihren glossy glänzenden Lippen-Bildern
bewusst auf eine falsche Fährte.
Denn die erotisch wirkenden Lippen stammen nicht von Menschen, sondern von Robotern – auch der Namensgeber der Ausstellung war einer: „Unimate war einer der ersten Industrieroboter der 60er
Jahre“, sagt Stein. „Unimate war als programierbarer Roboterarm nur so etwas wie eine Idee von einem Roboter, aber aus dieser Idee heraus ist dann die Frage entstanden, wie die Zukunft der
Roboter-Technologie aussehen könnte.“
Angst vor Künstlicher Intelligenz hat Charlie Stein nicht, sie sieht die Entwicklung der Technologie als linearen Prozess an. „Die Idee künstlicher Menschen geht bis in die griechische Antike
zurück. Diese Idee, dass man was erzeugt, was dann selbstständig lebensfähig ist, ist eine uralte Vorstellung.“ Computer sind somit nicht anders als ein die Welt abbildernder Homunculus, ein
kleiner, künstlich geschaffener Mensch.
Stein hat mit neun Jahren angefangen, die ersten MS-DOS Computer zu nutzen, die mit Cursor und Leertaste auskamen. Die Vorstellung, wie Menschen mit Künstlichkeit umgehen, interessiert sie. „Der
tiefe Wunsch im Menschen, ein Abbild seiner selbst zu erzeugen, geschieht in der Roboter-Technologie in einem pseudorationalen Kontext. Beim Versuch, einen Mensch nachzubauen, soll keine
Subjektivität stattfinden. Aber wenn man sich diese Roboter von Boston Dynamics anschaut, steckt da natürlich die Idealform drin, die ein Erzeuger oder eine Erzeugerin im Kopf hatte.“
Diese Herangehensweise der Roboter-Ingenieur* innen erinnert sie von der Herangehensweise an figurative Kunst. Es wird etwas erzeugt, was vorher noch nicht da war.
Andere Arbeiten von Charlie Stein beschäftigen sich mit der Idee von Apples Siri und Amazons Alexa, beides Spracherkennungskripte, die mit Machine Learning arbeiten und die bei Stein zu
Schulhoffreundinnen wurden. „Wie ein Mensch mit einer Maschine spricht, sagt viel mehr über sie oder ihn selbst aus als über die Fähigkeit der Maschine, Menschlichkeit zu simulieren.“
Wenn Stein beobachtet, wie Menschen mit nicht belebten Gegenständen umgehen, etwa Kinder mit Puppen, liegt darin für sie eine tiefe psychologische Faszination. „Wir leben in einer Welt, die voll
ist von Symbolen und mit Bedeutung aufgeladenen Gegenständen, wie wäre es sonst zu erklären, dass Leute in ein brennendes Haus rennen, um ein Fotoalbum vor den Flammen zu retten.“
Auffällig ist, das Charlie Stein fast ausschließlich Frauen malt, Roboterinnen. Sie schafft damit ein Korrektiv in einer Kunstwelt, in der sich Frauen erst seit etwa 100 Jahren mit dem Darstellen
weiblicher Form beschäftigen, was auch an den Akademien vorher nicht gelehrt wurde. Malerinnen in Deutschland wurden lange aktiv totgeschwiegen. Doch der Umbruch ist spürbar, Stein nennt
Künstlerinnen wie Avery Singer oder Emily Mae Smith.
Stein selbst ironisiert in ihren Bildern eine veraltete Form von Weiblichkeit, die sich in den Sehgewohnheiten der sozialen Medien wieder zu verfestigen scheint, in denen das Zurschaustellen
eines Schönheitsideals zum Selbstzweck von Weiblichkeit wird. In diesen gefilterten Insta-Welten werden Frauen einander zu visuellen Zwillingen – standardisiert und langweilig.
In „Unimate“ stellt Stein ihre Bilder zum Teil auf Kinder-SUVs, kleine Luxusgefährte, die unter dem Gabentisch so mancher Rich Kids stehen und in denen fast schon ein soziologischer Essay
steckt.
„Elemente von Fetischisierung sind sehr wichtig in meiner Arbeit“, sagt Stein. „Diese Kinder-SUVs sind ein Oxymoron, denn ein kleiner SUV ist ja das Gegenteil von dem, was er eigentlich sein
sollte. Was in dieser Idee von Fetischobjekten mitverhandelt wird, ist der Umstand, dass die Idee eines SUV an die nächste Generation weitergegeben wird. Das finde ich sehr faszinierend, zumal
wir eigentlich wissen, dass der Planet brennt.“
Steins Bildwelten erinnern an die Ästhetik japanischer Mangas. Aber die großen Augen ihrer Modelle sind laut Stein nur teilweise davon beeinflusst. „Dahinter steht für mich die Idee eines
Beutetier-Auges. Beutetiere haben größere Augen, sie sichern sich in alle Richtungen ab, scannen die Umgebung wie ein Kameraauge und checken, ob ein Angriff bevorsteht.“
Aus diesem Kontext könne man gut herauslesen, wie Weiblichkeit performt und in unserer Gesellschaft behandelt wird.
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